Als Ma nicht aufgab
“Sophie, warum verläßt du ihn nicht?” bettelten Verwandte, Freunde und Nachbarn. “Er ist und bleibt doch nur ein Trunkenbold.”
Sophie war meine Mutter. Der Trunkenbold war mein Vater.
Für uns Kinder werden sie immer “Ma und Pa” bleiben.
Auf
die gutgemeinten Bitten von besorgten Freunden hatte Ma immer nur eine
Reaktion: “Um der Kinder willen”, erwiderte sie, “bleibe ich bei ihm und bete
jeden Tag, daß er sich ändert.”
Sophie
war die Tochter eines eingewanderten deutschen
Totengräbers, der in
John war ein geschickter Metzger und verdiente viel Geld.
Als
nach etwa einem Jahr dem jungen Paar ein Sohn geschenkt wurde, erschien ihnen
das Leben sehr rosig. Sie nannten ihn Clarence. Dann
wurden weitere Kinder in schneller Folge in Sophies
mütterlichen Schoss geboren. Dies waren Harold, Grace und
John jun. (Dieser kleine John starb als Baby. Später nannte
man ein anderes Kind John.) Danach kam ich, Helen, zur
Welt, dann Clara, Mabel und Dorothy. Zusammen waren wir elf Kinder, und
Mutter liebte und wollte ein jedes von uns. Mit einem Kind auf dem Arm sah
Mutter am natürlichsten aus.
Unser Leben hätte glücklich sein können, wenn Pa nicht mit dem Trinken
angefangen hätte. Zur Zeit der Eheschließung trank er noch nicht.
Aber er stand unter dem Eindruck, daß er wegen seines Geschäfts ein guter
“Mixer” sein müsse und geriet durch seinen Bekanntenkreis ins
Trinken.
In
wenigen Jahren war er ein starker Trinker. Als ich
geboren wurde, hatte Pa bereits ein Haus und einen oder zwei Fleischläden vertrunken.
Unsere Familie war in einer verzweifelten Lage. Meine frühesten Erinnerungen reichen auf den Schmutz einer
Einwanderersiedlung “Hinter den Schienen” zurück. Gewiß war nichts von
der Schönheit zu finden, die man mit den Niagarafällen in Verbindung bringt.
In
jenen Tagen schien es immer so, daß der Winter zu früh einzog und zu lange blieb.
Nachdem
man das dürftige Abendessen eingenommen hatte und die Kinder unter ihre schäbigen
Decken gekrochen waren, saß Ma noch lange wach und wartete auf die stolpernden
Schritte Pas, die bedeuteten, daß er nach beendeter Zeche am Stammtisch
heimkehrte. Wenn er zu betrunken war, um die Tür zu öffnen, dann zog ihn Ma aus
dem Schnee und der Kälte herein. Er war ein schwerer Mann, aber irgendwie
gelang es ihr, ihn auszukleiden und ins Bett zu
bringen. Dafür gab es nie ein Wort des Dankes oder der
Anerkennung. Ma war eine schöne Frau mit feinen
Gesichtszügen, leuchtenden Augen und dunklem lockigem Haar. Ihr und uns Kindern
zugute verlor sie ihren heiteren Humor nie, trotz aller bitteren Erfahrungen,
die sie erdulden mußte. Oft wurde sie von wohlmeinenden Freunden bedrängt:
“Sophie, du könntest ohne ihn ein viel besseres Leben haben. Warum nimmst du
keine Vernunft an ?” Aber Ma war um die Zeit meiner
Geburt durch eine tiefe geistliche Erfahrung gegangen, die ihrer erkennbaren
Ruhe und Zuversicht zugrunde lag.
Während
großen, stadtweiten Erweckungsversammlungen nahm Ma Christus als ihren persönlichen
Retter an. Von diesem Moment ab war sie überzeugt, daß sie das einzige gefunden
hatte, das je das Leben ihres trunksüchtigen Mannes ändern konnte.
Aber
wenn sie mit ihm darüber sprach, verspottete er sie nur und trank
augenscheinlich aus reiner Bosheit mehr denn je zuvor.
Zwölf Jahre lang schien es, als ob der Teufel selbst
völlige Kontrolle über Pa ausübte. Ma war in beständiger
Angst, daß eines von uns Kindern in einem seiner furchtbaren Wutanfälle zu
Schaden kommen würde. Und ich weiß, daß wir viele Male nur durch ihre
Wachsamkeit und ihr Eingreifen vor Verletzungen
bewahrt blieben.
Pa
war in jener Nacht wie gewöhnlich mit Alkohol gefüllt, als
die kleine, drei Jahre alte Minnie in Mutters Armen an ihrem Keuchhusten
erstickte. Er war kaum nüchtern genug, um ein paar Tage später der kleinen,
traurigen Beerdigung beizuwohnen.
Ein
ganzes Jahr lang war Pa buchstäblich in Alkohol
getränkt, und sein Geist war beständig berauscht und benebelt. Selbst Pas
eigene Schwester baten Ma, die Kinder zu sich zu nehmen
und zu gehen, bevor etwas Furchtbares geschehen würde. Aber
Mas Antwort blieb unverändert. Sie sagte: “Ich habe gebetet, daß Johns
Leben sich ändert, und Gott wird antworten. Dessen bin ich sicher.”
Es
schneite an jenem Abend – bereits tief im November –
als Pa früher denn üblich heimtorkelte. Ma half im Haus eines
kranken Nachbarn. Der kleine, erst fünf Jahre alte
Johnny und andere ältere Geschwister waren zu Hause. Pa gab sich höchst
selten mit einem von uns Kindern ab. Doch wenn er einen Liebling hatte, dann
war es Johnny. Johnny empfing ihn an diesem Abend an der Haustür und sprach
sehr begeistert über die Erweckungsversammlungen in der Stadthalle gegenüber
den Bahnschienen.
“Gehst du hin, und nimmst du
“Gewiß Johnny, wir gehen”, antwortete er. Freudig
heftete Johnny seinen kleinen Mantel mit einer Sicherheitsnadel zusammen und
zog seine rote Zipfelmütze tief in die Stirn. Er nahm Pas Hand, und so
schleppte Pa und er sich durch den Schnee, vorbei an
den baufälligen Hütten und über die Bahnlinie hinüber, wo die Häuser viel
schöner waren. Pas Schritte waren unstetig und der kleine Johnny stützte ihn
auf ihrem Wege über die glatten Gehsteige.
Als
sie sich der kleinen Stadthalle näherten, in der die Evangeliumsversammlungen
stattfanden, hörte Pa die Gläubigen singen: “Weißer als der Schnee, ja weißer
als der Schnee; wasche
“Johnny”,
sagte er, flüchtig auf den erwartungsvollen Jungen an seiner Seite sehend,
“Johnny, wir gehen heim, und morgen abend werde ich
Johnnys
glückliches Lächeln verschwand, und er war den Tränen sehr nahe.
“
Aber
seine Versuche, leise zu sein, waren in keinster Weise erfolgreich. Schließlich saßen sie.
“Bob!
Mein alter Kumpel, Bob! Es darf nicht wahr sein…” Er erinnerte sich an die Stunden, die er mit Bob in den Bars der Stadt
verbracht hatte. Ja, es war sein alter Kamerad Bob. Plötzlich wurde das Predigen unterbrochen. Nachdem der
“John!” rief der Prediger
und legte seinen Arm um Pas Schultern, “John, du weißt wie jeder andere, was
für ein Leben ich führte. Aber sieh! – Was Gott für
Pa
stand auf, nahm Johnny an der Hand und lief langsam
und sehr unstetig zum Altar.
“Gott, sei mir Sünder gnädig!”
Und dann geschah das Wunder
- das Wunder, das nur Gott
zustande bringen konnte.
“Johnny”,
sagte Pa, als er in den Himmel schaute, “diese Sterne
erscheinen mir klarer denn je zuvor. Sie sehen wie Diamanten
aus!” Ma war zu Hause, als sie zurückkamen, und bemerkte den ungewohnt stetigen
Gang Pas. Sie öffnete schnell die Haustüre. Pa legte seinen Arm mit ungewohnter
Zärtlichkeit um sie, und seine Stimme gab nach, als er
sagte: “Sophie, du hast von heute abend an einen neuen Ehemann.”
Bevor
er ihr erzählen konnte, was in der Evangelisationsversammlung geschehen war,
rief Ma glücklich aus: “Gott ist seiner Verheißung treu geblieben. Ich wußte,
daß er seine Hilfe nicht versagen würde!”
Wir
lärmten und lachten vor Freude und jubelten noch mehr in dieser Nacht, denn Pa
holte seine abgenützte Bibel hervor, die ihm seine Mutter vor vielen Jahren
gegeben hatte, und versuchte, aus dem dritten Kapitel
des Johannesevangeliums zu lesen. Pa hatte nicht viel
Schulbildung und war kein guter Leser. Aber mit Mas Hilfe kämpfte er
sich durch den Text. Dann knieten wir alle nieder und
beteten. In dieser Nacht versammelten wir uns zum ersten Mal und von da an täglich zum Bibellesen und Beten.
Am
nächsten Morgen, als Pa das Haus verließ, um zur
Arbeit zu gehen, konnten wir nicht anders, als aus dem Fenster zu spähen; denn
am Ende unserer Straße war eine Kneipe. Jahrelang hatte Pa dort
jeden Morgen für seinen Frühschoppen Halt gemacht und einige Bier getrunken.
Unsere Herzen schlugen kaum, als wir beobachteten, wie
er sich der Kneipe näherte. Würde er an der Tür
zögern?
Wir
hielten alle den Atem an
- dann sahen wir, wie er
himmelwärts blickte, als ob er ein Gebet um Stärkung betete. Mit
aufgerichteten Schultern und festem Gang schritt Pa dann vorüber.
Ma kniete auf der Stelle nieder. “Ich danke dir, Herr”,
sagte sie einfach. Pa trank nie wieder auch nur einen
Tropfen Alkohol. Pa war entschlossen, das Bibellesen zu lernen, und Abend für Abend saß Ma geduldig an seiner Seite, half ihm
die Worte zu meistern und das Wort Gottes zu verstehen. Merkwürdigerweise wurde
Pa im Lesen der Bibel sehr fließend, obwohl er nie in der Lage war, eine
Zeitung oder ein Buch zu lesen. Trotz seiner
mangelnden Schulbildung kam er in unserem Teil des Staates als
Prediger zu gewisser Geltung.
Nicht
lange danach sind wir in ein besseres Stadtviertel
gezogen, aber wir besaßen nie viel von den Gütern dieser Welt. Zu dieser Zeit
traf die Wirtschaftskrise die Vereinigten Staaten. Trotzdem war Pa dem Herrn so
überschwenglich dankbar dafür, daß er ihn aus seinem bösen Leben befreit hatte,
und er übertraf sich regelrecht im Abbezahlen seiner Schulden, die sehr auf ihm
lasteten. Und Ma war so glücklich. Sie drängte Pa, mit den Rückzahlungen ans
Äusserste zu gehen und nicht abzulassen, bis der Schuldenberg abgetragen sei.
Das
erste, was Pa tat, war, daß er seine Freunde, alles “Trunkenbolde”,
zusammenrief und sie in die Evangeliumsversammlungen lockte. Zu seiner großen
Freude nahmen viele von ihnen Christus als ihren
Retter an und fanden zu einem neuen Leben. Da es keine Kirche an jenem Ort gab,
beschlossen Ma und Pa, die anderen bekehrten Trinker und deren Frauen und
Familien, daß sie ein Gotteshaus haben müßten. Mit vereinten Kräften gelang es
ihnen, die Stadthalle zu kaufen, und sie baten ihren Freund Bob, die kleine
Herde zu betreuen. Heute steht eine schöne Backsteinkirche auf dem Platz, wo einst die Stadthalle war.
Bald
hatte Pa einen Fleischlieferwagen, und seine Route führte ihn beinahe täglich
durch die Indianerreservation der Tuscaroras, unweit der Niagarafälle. Eines
Tages erzählte ihm ein Indianer, daß die kleine, schon jahrelang geschlossene
Kirche der Idianerreservation auf einer Auktion verkauft werden solle. In dieser Nacht konnte Pa nicht schlafen. Er fürchtete, daß
das Gotteshaus in eine Kneipe oder Spielhölle
verwandelt würde.
“Es ist nicht recht von uns, in dieser Sache nichts zu unternehmen”,
sagte er zu Ma.
“Was immer Gott dich weist zu tun, John, das tue”, sagte Ma ruhig.
Pa ging mit seinem eigenen Geld und dem, das Freunde gegeben hatten,
zur Auktion und kaufte die kleine, vom Wetter mitgenommene Kirche. Nach Reparatur und
erfolgter Malerarbeit begann Pa, regelmäßig Gottesdienste für die Indianer zu
halten und diente den Tuscaroras siebenundzwanzig Jahre lang.
Eines
Sommers gingen Ma und Pa auf eine kurze Reise und kamen an
der Practical Bible Training School in
Grace
begann ihre Ausbildung in der Bibelschule im Herbst
desselben Jahres. Mit Freude versagte sich Ma viele
Notwendigkeiten, damit sich ihre Tochter für den christlichen Dienst zurüsten
konnte. Ein Jahr später erzählte ich Ma von meinem Wunsch, auf die
Bibelschule zu gehen. Zu dieser Zeit hatte die Wirtschaftskrise ihren Höhepunkt
erreicht und verschonte auch unsere Familie nicht. Doch Ma sagte nur: “Der Herr
wird sorgen.”
Mit
Liebe und Geschick nähte sie meine Garderobe aus alten Kleidungsstücken, die
wir von Tanten geschenkt bekommen hatten. Alle meine Habseligkeiten packte sie
in einen Koffer, und in ihrem charakteristischen Humor, den sie nie verlor,
ermahnte sie
Drei
Jahre später kamen Ma und Pa in einem klapprigen, alten Auto anläßlich der Entlassungsfeier
von Grace zur Bibelschule. Mas Kleider waren schäbig,
dennoch gab es für uns an diesem Abend keine schönere
Mutter in dem großen Auditorium. Ma hörte, wie meine Schwester sang und eine
Ansprache hielt, bevor sie schließlich das Diplom in Empfang nahm. Dann traf Ma den jungen Mann, der Graces Ehemann werden sollte.
Ich konnte sehen, daß sie an der Begegnung Gefallen
fand. Es ist eine gute Sache, eine Tochter als Frau
eines Pastors zu haben.
Heute
haben sechs von uns die Bibelschule durchlaufen, und Grace,
”John,
ich bin so glücklich, daß ich mit dir zusammenblieb – um der Kinder willen, um
deinetwillen und noch mehr um Jesu willen.”
Ist Ihr Leben auch zerbrochen? Jedes Leben, das nicht in Harmonie mit Gott
steht, ist unbefriedigend. Gott
schuf uns nach seinem Bilde. Er hat uns so geschaffen, daß wir uns an
Ihm und allen von Ihm für uns bereitgestellten
Segnungen dieses Lebens und der Ewigkeit erfreuen können. Es ist unbedeutend,
worin Ihre Schwäche besteht, es ist ganz gleich, wie hoffnungslos Ihre
Situation scheinen mag, egal, was immer Ihr Problem ist, Gott wartet darauf,
Ihnen zu vergeben und Sie in ein neues Leben des Sieges zu führen. Dieses Leben wird schließlich in eine ewige, wunderbare
Gemeinschaft mit Ihrem Gott und Schöpfer einmünden.
Die
Bibel sagt, daß wir alle gesündigt haben und des Ruhmes mangeln, den wir bei
Gott haben sollen. Sie bezeugt des weiteren:
“Der
Tod ist der Sünde Sold.” Aber Gott
sandte seinen einzigen Sohn vom Himmel, um uns zu retten. Er nahm
Menschengestalt an und wurde von einer
Aufgrund
seines vollkommenen Lebens und seines Leidens – der Sündlose für
die
Sünder – ist Gott jetzt in der Lage, allen Vergebung anzubieten, die an seinen
Sohn glauben und ihn als Retter und Herrn annehmen wollen. Die Schriftstelle,
die mit den Worten “Denn der Tod ist der Sünde Sold” beginnt, endet deshalb: “aber die Gabe
Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserem Herrn.”
Lieber
Freund, der Herr Jesus liebt Sie und lädt Sie ein: “Kommet her zu mir alle, die
ihr mühselig und beladen seid, ich will euch Ruhe geben.” Nehmen Sie ihn bei seinem Wort, kommen Sie
jetzt und sagen Sie ihm:
“Ja
Herr, ich will
Mache
(Helen I. Eisenhart)