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„Er wuchs und wurde stark im Geist”
„Und das
Kindlein wuchs und wurde stark im Geist. Und er war in der Wüste bis zu dem
Tag, an dem er vor das Volk Israel treten sollte” (Lukas 1, 80).
Wenn man vom
Wachstum eines Menschen spricht, geht es darum, wie groß oder muskulös jemand ist. Die Bibel spricht hier jedoch vom Wachstum im
Geist. Ich beobachte immer wieder, dass Menschen geistlich schwach werden,
sobald ihr Geldbeutel dicker wird. Bei Abraham, dem Vater des Glaubens,
verhielt es sich nicht so. Gott segnete Abraham in materieller Hinsicht, und
dennoch vernachlässigte dieser sein geistliches Leben nicht.
Ich sehe hier eine sehr große Gefahr für uns. Ein Mensch, der sich zu Jesus bekehrt hat, fragt sich:
„Wie konnte ich so viel Geld für Zigaretten, Alkohol und andere Dinge
ausgeben! Nachdem Gott mir jetzt ein neues Herz geschenkt hat, werde ich
sorgfältig mit meinem Geld umgehen.“ Ein bekehrter Mensch geht nicht nur
sorgfältig mit seinem Geld, sondern auch mit seiner Zeit um. Er gibt Gott den
Zehnten seines Einkommens und wird dadurch noch reicher gesegnet. Der Platz
wird zu eng für all die Segnungen, die er von Gott empfängt. Der Umgang mit
Gottes Segnungen erfordert allerdings viel Übung. Wenn wir erkennen, zu welchem
Dank wir Gott verpflichtet sind, werden wir sagen: „Gott hat mir so viel
geschenkt, ich schulde ihm um so mehr Dankbarkeit!“
Bei Johannes dem Täufer hören wir nichts von irdischen
Segnungen. Nach weltlichen Maßstäben war
er ein armer Mann. Seine Nahrung und Kleidung waren sehr einfach. Er verbrachte
seine gesamte Jugend in der Wüste – fast 30 Jahre lang. Er schien keine
besonderen irdischen Vorzüge zu haben, aber die Bibel berichtet uns, dass er
„stark im Geist“ wurde. Manchmal scheint es, dass unsere Gebete
nicht erhört werden. Wir fragen uns, wohin unsere Gebete gehen. Wenn unser
Gebet nur bis zur Zimmerdecke zu gehen scheint, müssen wir uns daran erinnern,
dass Gott uns versprochen hat: „Rufe mich an, so will ich dir antworten
und will dir kundtun große und unfassbare Dinge, von denen du nichts
weißt.“ Wir dürfen uns nicht von unseren Gefühlen oder schnellen
Gebetserhörungen abhängig machen, sondern müssen nach den Verheißungen Gottes
leben. Diese Haltung erfordert allerdings große geistliche Kraft. Ansonsten
werden wir mutlos und niedergeschlagen. Wenn wir jedoch nach den Verheißungen
Gottes leben, wachsen wir im Geist.
Johannes der Täufer wuchs im Geist und kümmerte sich
nicht um die Dinge dieser Welt. Er sagte nicht: „Ich muss in der Großstadt leben.“ Er murrte nie: „Ich habe
dies nicht, ich habe das nicht.“ Nein, er hatte für jede Schicht der
Gesellschaft eine Botschaft. Mir kommt das vor wie ein Wunder. Manchmal habe
ich das Gefühl, dass ich für eine bestimmte gesellschaftliche Schicht nicht die
richtigen Worte finde. Manche Menschen sind so beschäftigt mit weltlichen
Dingen, so fleischlich gesinnt, ohne einen Gedanken an Gott zu verschwenden.
Ich sage mir: „Ich habe wohl nicht die richtige Botschaft für diese
Menschen.“ Das heißt, dass ich nicht wirklich stark im Geist bin. Ich
hatte in unserer Gemeinschaft eine große Chance, geistlich stark zu werden. Ich
war von so vielen Männern und Frauen des Glaubens umgeben und hörte Gottes Wort
so oft in Predigten. Eigentlich hätte das Wort Gottes nur so aus mir
heraussprudeln müssen vor all diesen unterschiedlichen Menschen.
Johannes der Täufer hatte sogar für König Herodes eine
Botschaft. Er hatte keine Angst vor möglichen Konsequenzen. Wer stark im Geist
ist, fürchtet sich nicht vor den Folgen, wenn er für die Gerechtigkeit
einsteht. Wenn Gott uns materiell segnet, kommen wir leicht in Versuchung, dies
oder jenes zu kaufen, um etwas mehr Komfort zu haben. Jede materielle
Anschaffung lässt uns geistlich schwächer werden. Ich weiß nicht, wie viele Leute Gott sagen: „Herr, wegen des Fernsehers
habe ich das Gebet vernachlässigt, und so ist mein Geist schwach
geworden.“
Was mich
anbetrifft, so bin ich bereit, alles zu verlieren. Es ist mir einerlei. Überall
um mich herum sehe ich Menschen, die geistlich schwach sind. Sie füllen ihre
Häuser mit immer neuen Dingen. Welche irdischen Besitztümer hatte Johannes der
Täufer? Er besaß nichts, außer Gottes Wort! Es macht mich traurig, dass so
viele im Glauben nachlassen. Aus unserer Mitte hätten Menschen hervorgehen
sollen, die wie Sadhu Sundar Singh bereits im Himmel waren und dann wieder in ihren menschlichen
Körper zurückgekehrt sind – Menschen, die große Dinge mit Gott erlebt
haben. Manchmal scheint unsere geistliche Kraft zu schwinden, je mehr
Verpflichtungen wir haben. Je mehr Verantwortung wir tragen, desto mehr sollten
unser Gebet und unsere geistliche Kraft zunehmen. Ungeistliche und emotionale
Menschen, die nur aus eigenem Antrieb Christen sind, merken, dass ihre
geistliche Kraft und ihr Glaube abnehmen, sobald ihre Verantwortung wächst. Mit
seelischer Kraft können wir keine geistliche Arbeit verrichten. Wenn eine
christliche Arbeit wächst, entwickeln manche Menschen gute Gewohnheiten und
Disziplin. Ihre Seele wird gestärkt. Sie werden jedoch nicht unbedingt vom
Geist geleitet. Was nützt es ihnen, wenn sie gute Predigten halten oder
anhören, jedoch keine echte geistliche Kraft haben? Johannes der Täufer wuchs
und wurde stark im Geist.
Dasselbe lesen wir
in Lukas 2, 40 auch von unserem Herrn Jesus Christus: „Das Kind aber
wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.“
Wenn ein Kind heranwächst, sprechen wir selten von seiner geistlichen Stärke.
Das Kind ist vielleicht ein guter Läufer, Tennis- oder Hockeyspieler. Wer aber
spricht von seinem geistlichen Wachstum? Manchmal beobachten wir, dass eine
Kirche wächst, und sagen: „500 Leute gehen in diese Kirche, oder sogar
10 000! Die Kirche wächst!“ Nein, es kann sein, dass sie stirbt! Was
nützen 10 000 Tote? Wie viele von ihnen sind stark im Geist? Nur das
zählt!
Heutzutage möchte
jeder gerne ein Stück Land besitzen. Ich habe etwas gegen Ländereien. Die
Geschichte der Mission zeigt, dass überall dort, wo große Grundstücke und
Gebäude im Spiel waren, die geistliche Arbeit bald zerbrach. Gebäude und
Ländereien sind kein Gradmesser für geistliche Stärke. Wie reden wir mit Gott?
Wie eng wandeln wir mit Gott? Wie stark sind wir im Geist, wenn wir vor
Versuchungen stehen? Wie viele unserer Worte sind für andere eine Ermutigung
und ein Segen? Das sind Zeichen echter geistlicher Stärke.
Tausende von
Menschen hören heutzutage das Wort Gottes. Wenn wir nicht im Gebet um diese
vielen Menschen ringen, können wir nicht viel für Gott erreichen. Unsere Gebete
werden Nationen verändern, wenn wir uns selbst zurücknehmen und mit ganzem
Herzen um Erweckung beten. Sind wir stark im Geist? Möge Gott uns in diesem
neuen Jahr helfen und unsere Schritte lenken!
Joshua Daniel
„Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird
nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es
alles geschieht” (Matthäus 5, 18).
Ein Baby wurde
geboren. Neues Leben ist entstanden. Sie kümmern sich um Ihr Kind, waschen und kleiden
es. Sie füttern es und halten es warm. Tag für Tag stillen Sie seine
Bedürfnisse, weil Sie wissen, dass es sich nicht selbst versorgen kann.
Sie wurden in das Reich Gottes hineingeboren, haben Ihr
Herz Jesus Christus geöffnet und ihn in Ihr Leben aufgenommen. Sie haben ihn
als Ihren Retter angenommen und gehören nun ihm. Als er kam, schenkte er Ihnen
das ewige Leben. Sie leben nun ein Leben, das Sie vorher nicht kannten.
„Ich gebe ihnen das ewige Leben“ (Johannes 10, 28).
Wie pflegen Sie dieses neue Leben? In geistlicher
Hinsicht sind Sie ein Säugling, der die gleichen Bedürfnisse wie ein
neugeborenes Kind hat:
Ein Baby muss täglich gefüttert werden.
Sie ebenfalls! Das neue Leben, das Gott Ihnen geschenkt hat, muss genährt
werden. Ein Säugling braucht Milch. Die Nahrung eines geistlichen Babys ist die
Milch des Wortes Gottes: „… seid
begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem
Heil…“.
Ich habe mich im Jahr 1906 bekehrt. Seitdem
habe ich jeden Tag meines Lebens – 365 Tage im Jahr – Gottes Wort
gelesen. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich das Buch der Bücher
vernachlässigt hätte. Die Bibel war in all diesen Jahren meine Speise und mein
Trank. Je intensiver ich sie studierte, desto kostbarer wurde sie für mich. Es
gibt kein Buch, das der Bibel gleicht. Als der Satan mich besonders hart
angriff, fand ich in Gottes Wort Hilfe und Trost. Immer wieder sprach Gott
durch sein Wort zu mir. Versuchungen, die für meinen Dienst das Ende hätten
bedeuten können, wurden durch die Verheißungen Gottes zunichte gemacht. Wenn
mich Sorgen und Tragödien niederdrücken wollten, redete Gott durch sein Wort zu
mir. Inmitten der bittersten Enttäuschung hörte ich ihn sagen: „Den Abend
lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude.“ Und als mein Herz
von Furcht erfüllt war, hörte ich ihn sagen: „Was betrübst du dich, meine
Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch
danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“ Und er hat
sein Wort immer gehalten.
Ein Baby braucht Gemeinschaft. Es muss
sich äußern und seine Bedürfnisse mitteilen können. Wenn es hungrig ist oder
Schmerzen hat, schreit es. Die Mutter reagiert dann sofort. Auch Sie brauchen
Gemeinschaft. Wenn Sie wirklich von neuem geboren sind, verspüren Sie ein
Schreien in Ihrem Herzen. Dieses Schreien nennen wir Gebet. Ich bitte Sie
inständig, jeden Tag Ihres Lebens alleine Zeit mit Gott im Gebet zu verbringen.
Sagen Sie ihm alles. Verstecken Sie nichts vor ihm. Sprechen Sie mit ihm wie
mit einem Freund. Wenn Sie die Bibel lesen, spricht Gott zu Ihnen. Wenn Sie
beten, reden Sie mit ihm und haben mit ihm Gemeinschaft. Sie lernen Gott besser
kennen, genauso wie Sie einen Freund kennen lernen. Sie reden mit Gott, und
Gott redet mit Ihnen. Und während Sie miteinander reden, lernen Sie sich
kennen. Reden Sie also viel mit Gott im Gebet.
Ein kleines Baby braucht Bewegung. Es
streckt seine Ärmchen und Beinchen aus, um sie zu bewegen. Auch Sie brauchen
Bewegung, wenn Sie stark werden wollen. Indem Sie Christus bezeugen, bleiben
Sie in Bewegung. Erzählen Sie anderen von ihm. Übernehmen Sie eine Aufgabe.
Bekennen Sie Christus öffentlich. Geben Sie Zeugnis von ihm, dann werden Sie
stark. Ansonsten könnten Sie leicht rückfällig werden. Werden Sie ohne Zögern
aktiv für Christus aus Dankbarkeit für das, was er für Sie getan hat.
Sie sollten mindestens genauso stolz
auf Ihren Herrn und Heiland sein wie auf Ihr Land oder Ihren König. Auf dem
Gefechtsfeld würden Sie sich auch nicht schämen, Flagge zu zeigen. Im Gegenteil
– Sie wären begierig, Ihre Landesflagge zu hissen und unter dieser Flagge
zu marschieren. Warum zögern Sie dann, das Banner für den König Jesus zu
erheben? Auf diese Weise zeigen Sie der Welt, auf welcher Seite Sie stehen.
Sicher möchten Sie nicht, dass er sich Ihrer schämt, wenn er kommen wird in
seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel! Dann dürfen Sie
sich seiner jetzt auch nicht schämen. Gott sagt: „Wenn man mit dem Munde
bekennt, so wird man gerettet.“
Nichts stärkt einen gläubigen Christen
mehr als sein offenes Bekenntnis! Wenn Sie geistlich wachsen wollen, dann
bekennen Sie Christus in aller Offenheit! Der Satan stört sich nicht an stummen
Christen, aber er kämpft besonders eifrig gegen diejenigen, die öffentlich
bekennen, dass sie Christus nachfolgen. Aber allein schon durch unser
Bekenntnis werden Satans Attacken zunichte gemacht.
Wenn Sie einen Menschen lieben, reden
Sie von ihm. Jedenfalls tun das die meisten. Wenn Sie den Herrn Jesus Christus
ernsthaft lieben, dann haben Sie das Verlangen, über ihn zu sprechen.
Christus bezeugen ist das beste
Gegenmittel gegen Freundschaft mit der Welt. Sie müssen Ihre weltlichen Freunde
niemals aufgeben. Erzählen Sie ihnen einfach von Jesus. Bitten Sie sie, sich
niederzuknien, während Sie für sie beten. Geben Sie Ihren Freunden ein
christliches Traktat und laden Sie sie zu einem evangelistischen Gottesdienst
ein. Probieren Sie es aus! Wissen Sie, was passieren wird? Man wird Sie fallen
lassen wie eine heiße Kartoffel. Sie werden nicht mehr erwünscht sein. Und dann
werden Sie neue Freunde und Gefährten finden – Christen, die das Gleiche
lieben und wollen wie Sie. Und diese Christen werden auf immer und ewig Ihre
Freunde bleiben. Nicht einmal der Tod kann solche Freundschaften zerstören.
Wir wollen ehrlich vor Gott sein und
Christus offen vor den Menschen bekennen. Der Lohn dafür ist, dass Gott sich
über uns freut und zu uns steht.
Auszug
In Jesaja 40 lesen wir, dass wir auffahren mit Flügeln wie Adler, wenn wir auf
den HERRN harren. Adler sind majestätische Vögel mit einem bemerkenswerten
Sehvermögen. Wissenschaftler glauben, dass sie achtmal schärfer sehen können als
Menschen. Sie haben kräftige Klauen und Krallen, die wie ein Schraubstock
greifen können. Mit ihrem messerartigen Schnabel können sie ihre Nahrung
schneiden, zermalmen und in Stücke reißen.
Adler sind
jedoch in erster Linie gute Flieger. Sie erreichen unglaubliche
Geschwindigkeiten – zwischen 100 und 160 Stundenkilometer. Ihre Flügel
haben eine Spannweite von fast 2,5 Metern.
Adler fliegen nicht wie Spatzen oder Rotkehlchen. Die
meisten Vögel fliegen, indem sie mit den Flügeln schlagen. Adler hingegen können
nicht sehr lange mit den Flügeln schlagen. Sie sind so geformt, dass sie in
großer Höhe schweben und mit wenig Energie sehr viel weiter fliegen können.
Gott schuf unseren Planeten mit unsichtbaren Säulen
aus warmer Luft – so genannte warme Luftströme, die sich an verschiedenen
Stellen von der Erdoberfläche nach oben bewegen. Adler finden diese Stellen,
fliegen in die unsichtbaren Luftströme hinein, breiten ihre Flügel aus und
werden wie in einem Fahrstuhl immer höher emporgehoben.
Sie können bis zu 4000 Meter hoch steigen – so
hoch, dass man sie mit bloßem Auge von der Erde aus nicht mehr sehen kann.
Wenn ein Adler diese Höhe erreicht, gleitet er mit
ausgebreiteten Flügeln aus dem Aufwind hervor, schwebt hierhin und dorthin
– hinunter und seitwärts – und fliegt mit geringer Anstrengung
kilometerweit.
Jesaja will uns wohl sagen, dass Gott wie die
unsichtbaren emporhebenden warmen Luftströme unseres Planeten für sein Volk da
ist, auch wenn man ihn nicht sehen kann. Wenn wir ihn suchen, seine
Verheißungen für uns in Anspruch nehmen und ihm mit ausgebreiteten Flügeln des
Glaubens vertrauen, werden wir auf eine höhere Ebene emporgehoben. Wir fahren
auf mit Flügeln wie Adler. Wir laufen und werden nicht matt. Wir wandeln und
werden nicht müde.
Die Kraft, die wir für ein heiliges, erfülltes und
siegreiches Leben benötigen, bekommen wir nicht, wenn wir wie aufgescheuchte
Spatzen wild mit unseren Flügeln schlagen, sondern dadurch, dass wir auf Gott
vertrauen und in Jesus Christus ruhen.
Auszug
Ein Hausierer zog müde seines Weges. Die Sonne ging
gerade unter. Den ganzen Tag war er in der sizilianischen Stadt, die jetzt über
15 Kilometer hinter ihm lag, mit seinen Waren von Tür zu Tür gelaufen, und er
hatte immer noch einen weiten Weg vor sich, um eine Bleibe für die Nacht zu
finden.
Plötzlich hörte er ein Pferd herangaloppieren. Als er
sich umdrehte, erblickte er den Reiter – einen finster dreinblickenden
Mann mit einem schwarzen Bart, einem breiten Hut und einem großen schwarzen Mantel.
Als der
Mann das Pferd anhielt, rief der Hausierer auf Italienisch: „Guten Abend,
mein Herr!“ Er hielt es für das Beste, höflich und nett zu sein zu
jemandem, der so grimmig aussah wie dieser Mann.
Der Reiter
stieg vom Pferd.
„Was
hast Du in diesem Beutel?“
„Bücher,
mein Herr.“
„Endlich
habe ich dich gefunden! Du verkaufst diese Bücher, um die Sitten des einfachen
Volkes zu verderben. Ich werde jetzt zuerst Deine Bücher verbrennen und Dich
dann erschießen. Stell Deinen Beutel hierhin und sammle Holz für ein Feuer!“
Er schüttelte den Hausierer. Dieser merkte, dass er es mit einem Banditen zu
tun hatte und tat, wie ihm geheißen wurde. Als das Feuer brannte, war bereits
die Nacht hereingebrochen.
„Mein Herr, bevor Sie meine Bücher verbrennen
und mich erschießen, erlauben Sie mir, Ihnen etwas daraus vorzulesen?“
„Genehmigt“, antwortete der Bandit und setzte
sich ans Feuer.
Der Hausierer las einen Abschnitt aus dem Lukasevangelium
vor: „Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel
unter die Räuber.“
Das war sehr gewagt, aber der Bandit hörte sich die
Geschichte vom barmherzigen Samariter an. „Ich mag diese
Geschichte“, sagte der Bandit. „Dieses Buch werden wir nicht
verbrennen!“
Der Hausierer nahm ein Matthäusevangelium und las aus der
Bergpredigt vor.
„An diesem Buch ist nichts Schlechtes; wir werden
es nicht verbrennen!“
Jetzt öffnete der Hausierer ein Neues Testament und las
aus dem Brief des Paulus an die Korinther über die christliche Liebe vor.
„Wie schön und wahr! Dieses Buch müssen wir
aufheben. Lies noch aus einem anderen vor!“
So wurde ein Buch nach dem andern, aus dem der Hausierer
vorlas, zu den Büchern gelegt, die nicht verbrannt werden sollten.
„Ich habe kein Buch mehr, mein Herr.“
„Unsinn! Wo sind die bösen Bücher?“
„Ich habe keine, mein Herr.“
Verblüfft galoppierte der Bandit davon.
Müde schleppte sich der Hausierer zur nächsten
Dorfschenke und dankte Gott, dass er wieder einmal entkommen konnte.
Am nächsten Morgen gesellte sich der Hausierer zu einer
Gruppe Menschen, die auf dem Marktplatz bei einem Esel stand.
„Kann ich Euch etwas vom Herrn Jesus Christus
vorlesen?“, fragte er.
„Aber gern“, lautete die Antwort.
Dann las der Hausierer vor, wie Jesus zwei seiner Jünger
losschickte, um einen Esel zu holen.
„Wie viel kostet dieses Buch?“, rief einer
der Männer.
„Einen halben Penny“, antwortete der
Hausierer.
„Vorsicht, die Bücher sind böse!“, schrie
jemand aus der Menge. Es entstand ein Tumult, und bald hatte sich auf dem
Marktplatz eine wütende Menschenmenge angesammelt.
„Steinigt den Ketzer!“
„Tod dem Gotteslästerer!“
Als die Lage sehr ernst wurde, ritt plötzlich ein Mann in
schnellem Tempo auf den Marktplatz – mit finsterem Blick und einem
schwarzen Bart.
„Lasst den Mann in Ruhe!“, rief er.
Jeder kannte den Banditen und fürchtete sich vor ihm.
„Aber Herr!“, schrie jemand. „Er
verkauft böse Bücher und muss bestraft werden!“
Der Bandit saß ruhig auf
seinem Pferd und erzählte, was er letzte Nacht erlebt hatte.
„Es sind gute Bücher“, sagte er schließlich.
Die Jahre
vergingen. Eines Tages erhielt der Hausierer einen Brief aus Amerika. Erstaunt
öffnete er ihn und las. Während er las, staunte er. Der Brief stammte von dem
Banditen! Dieser schrieb ihm, wie sich sein Leben nach jener Nacht verändert
hatte, als ihm der Hausierer am Feuer aus Gottes Wort vorgelesen hatte. Die
fälschlicherweise als „böse“ bezeichneten Bücher hatten ihm die
Erlösung gebracht.
Auszug